Puh wo fang ich an 😅... am besten ihr hoits eich bisal wos zum Knabbern, des wird länger dauern 😉 (ca. 15 min. Lesezeit)

Zu Beginn des Lockdowns hab ich das Ganze noch recht entspannt gesehen und mir über meine eigenen beruflichen, und damit einhergehend auch privaten Probleme, keine Gedanken gemacht. Wieso auch, ich hab es wie so viele verharmlost und gedacht, dass ich nach ein paar Wochen wieder meiner Arbeit nachgehen kann/darf. Ich hab mich ehrlich gesagt sogar ein bisschen über die Zwangspause gefreut -  ein kleiner finanzieller Polster war da und somit würde ich die Zeit für mich nutzen, um wieder mehr zu sporteln und Klavier zu üben... tja, falsch gedacht 😅... mittlerweile sind 6 Monate vergangen und es war mitunter eine der emotionalsten und kräfteraubendsten Phasen meines Lebens!

Innere Unzufriedenheit

Es hat aber schon etwas vor Corona angefangen, denn seit Herbst 2019 bin ich nicht ganz so happy mit meiner beruflichen Entwicklung. Nicht, dass ich nicht zufrieden damit bin, was sich so alles ergeben hat, aber irgendwie hab ich gemerkt, dass es mir auf Dauer mehr Energie raubt, als dass es mir welche gibt. Vor allem ist meine Freude daran gesunken, selbst Sport treiben zu wollen. Sport war aber immer etwas, das mir Energie gegeben hat - ideal um Stress abzubauen und mich mit Freunden zu treffen. Wenn dem aber nicht mehr so ist, dann läuft für mich etwas falsch und es ist Zeit, etwas zu verändern. Es hat dann bis in den Lockdown gedauert bis ich mir das wirklich eingestanden hab, und mir das eigentliche Problem bewusst geworden ist...

Die ersten Wochen

Die Zeit ist richtig schnell vergangen, von Langeweile war keine Spur. Ich habs echt genossen, wirklich nur das zu machen, worauf ich grad Lust hatte und mir keine Sorgen um irgendwas machen zu müssen... ja ohne Spaß, so naiv war ich da noch 🤦‍♂️ das hat sich aber bald geändert 😄! Hab dann wieder damit angefangen kurze Übungsvideos zu machen, damit sich meine Kunden zuhause fit halten können - gleichzeitig war es für mich ein netter Zeitvertreib. Die Videos sind recht gut angenommen worden und zu meiner Freude haben dann sogar einige Firmen angefragt, ob ich ihnen die Videos nicht schicken könne, damit sie an alle Mitarbeiter weitergeleitet werden. Ihnen war es wichtig, dass ihre Mitarbeiter vor allem in so einer Zeit auf ihre Gesundheit achten - sehr löblich wie ich finde!

Die Sache mit den Online Trainings

Wir sind nun ca. 2-3 Wochen im Lockdown... Einige meiner Kunden haben mich gefragt, ob ich nicht mal ein Online Training anbieten möchte!? Ich hab sofort mit "nein" geantwortet, ich war noch nie ein Fan von solchen Online Trainings Gschichtln, also hab ichs vorerst mal gelassen. Ich hab diesen Job auch darum gewählt, weil ich das Persönliche/Zwischenmenschliche mag. Ich brauch den Kontakt und die Interaktion. Mit Menschen von Angesicht zu Angesicht zu reden/trainieren, ist für mich einfach 1000 mal besser als via Webcam.

Als dann aber klar wurde, dass das Ganze eben nicht in ein paar Wochen vorbei ist, hab ich mich mit dem Webcam Training mehr und mehr angefreundet und mir Equipment gekauft. Ich sags euch, das war keine leichte Aufgabe 😅 knapp eine Woche bin ich gesessen, hab mich informiert und gemeinsam mit Freunden nach einer idealen Lösung gesucht... Scheiß Technik Kraumsch 😅... knapp € 1.000,-  hab ich für alles samt bezahlt - habs als notwendige und sinnvolle Investition gesehen.

Zu meiner Überraschung hat das dann recht gut funktioniert, und allen Teilnehmern hats auch sehr gefallen. Dennoch muss ich sagen, dass ich sehr froh war, als man dann mit Anfang Mai wieder Outdoor Trainings anbieten durfte 😁. Wie gesagt, hat alles gut funktioniert, aber um ehrlich zu sein bin ich mir da eher wie ein Kasperl vorgekommen, der vor der Kamera herum "hüpft" und versucht die Leute zu unterhalten... und ja, mir ist bewusst, dass es auch sonst zu meinem Job gehört, den "Animateur" zu spielen, das passt auch, aber da hab ich eine Interaktion mit meinen Leuten, welche beim Online Training komplett fehlt. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich es gemacht hab, aber für die Zukunft ist es definitiv nichts für mich. Wenn es soweit kommt, dass alle nur mehr Online Training wollen, such ich mir fix einen anderen Job 😄. Ich kann mich damit einfach nicht identifizieren.

Existenzangst? Jap, kenn ich

Mai und Juni waren für mich so ziemlich die härtesten Monate, denn mir wurde bewusst, dass ich längere Zeit keine Aufträge bekommen werde (Firmenfitness ist meine Haupteinnahmequelle) und in eine finanzielle Not stürzen könnte. Mein Erspartes reicht zwar für einige Wochen aber nicht für einige Monate. Und so wurde aus meiner naiven Einstellung eine Unsicherheit. Und aus dieser Unsicherheit wurde eine Angst - die Existenzangst.

Ich weiß, in Österreich klingt das alles sehr dramatisch, da wir ja eh ein gutes soziales Auffangbecken (AMS) haben. Aber trotzdem ist es ein scheiß Gefühl die Miete bald nicht mehr zahlen zu können! Da geht die Stimmung schnell mal in den Keller. Hinzu kam, dass ich zu der Zeit noch immer nicht wusste, wie viel bzw. ob ich überhaupt etwas von dem Härtefallfond bekomme. Da 2019 für mich weit besser als 2018 war, musste ich noch auf meinen Steuerausgleich warten, damit der HFF auf mein aktuelles Einkommen berechnet wird. Aber damit noch nicht genug... Mein Steuerberater hat mir dann nämlich auch noch mitgeteilt, dass ich, aufgrund meines erfolgreichen letzten Jahres, insgesamt knapp € 8.000,- an SVA und Einkommensteuer nachzahlen muss... gaunz supa woa des... wie soll ich das bitte nachzahlen, wenn ich in 2 Monaten nicht mal mehr meine Miete zahlen kann, diese beschissene Pandemie noch länger andauert und ich so auch keine Aussicht auf Einkommen hab. Also zusammengefasst war das alles so richtig oasch...

Darauf folgten einige schlaflose Nächte, in denen ich nicht mehr anders konnte als einfach drauf loszuweinen. Nach außen lass ich mir meist nichts anmerken (außer bei Menschen die mir sehr nahe stehen) aber innerlich war ich zu der Zeit ziemlich am Boden.

Kunden bleiben aus

Beruflich war auch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Bis auf eine einzige Firma (von insgesamt 8), haben mir alle anderen bis auf weiteres alle Termine abgesagt. Obwohl zu dieser Zeit Kleingruppen wieder erlaubt waren, wollte keine Firma das Risiko eingehen, dass sich jemand bei einem Training ansteckt und so vielleicht wieder eine Abteilung in Quarantäne muss - was ich aus Unternehmersicht natürlich vollkommen verstehen kann. Durch diese vielen Absagen ist mir zugleich bewusst geworden, dass ich in diesem Feld heuer wohl kein Geschäft mehr machen werde, geschweige denn, dass ich Neukunden anwerben könnte. Also was machen?! Plan B, C, D muss her…

Mein erster Gedanke war Polizei. Zwar nicht mein Traumjob aber zumindest bin ich draußen unterwegs, hab mit Menschen zu tun und ich hab ein monatliches fixes Einkommen. Denn das war ein großer Punkt der mich beschäftigte - finanzielle Sicherheit. Witzigerweise hat es mich die letzten Jahre überhaupt nicht gekümmert, kein fixes und gleichbleibendes Einkommen zu haben. Aber in Zeiten der Krise ist der Wunsch nach Sicherheit ziemlich groß. Es hat dann eine gewisse Art der Gesprächstherapie gebraucht, bis ich mir dessen klar geworden bin, aber dazu gleich mehr.

Eine weitere Überlegung war es, für eine Zeit lang ins Ausland zu gehen - Schweiz hätte sich da gut angeboten. Ein Freund der nähe Zürich lebt, hat ein Zimmer bei sich frei und ich könnte bis Ende des Jahres bei ihm wohnen. Ich fand die Idee richtig spannend und hab ihn gefragt, ob ich denn mal für ein paar Tage zu ihm kommen kann, um mir das Leben vor Ort anzusehen und zu schauen, ob ich mich dort wohl fühle. Er hat zugesagt und zwei Tage später hab ich mich mit meinem Motorrad auf den Weg gemacht - Roadtrip Baby 😁! Schlussendlich war ich 10 Tage dort und ich muss sagen, es hat mir richtig gut gefallen. Bin sogar zu einem Vorstellungsgespräch gefahren, bei dem ich aber nie angekommen bin 😅! Hab auf halbem Weg umgedreht, weil es sich in dem Moment einfach nicht gut angefühlt hat… irgendwie wusste ich zu dieser Zeit überhaupt nicht was ich will… also fürs erste mal zurück nach Wien!

Flucht in die virtuelle Welt

Gespräche mit Familie und Freunden bewirken da normalerweise wahre Wunder... dieses Mal war das nicht so, ich merkte, dass mir der Lockdown und diese Existenzangst psychisch sehr zu schaffen machte. Das war dann auch die Zeit in der ich meine alte XBox ausgegraben hab und mal eine Woche lang 6 Stunden am Tag durchgezockt hab. Total motivationslos im echten Leben, aber voll motiviert, mit meinem kleinen heranwachsenden Ritter, tollkühne Abenteuer zu erleben 😄. Seit dem verstehe ich voll, wie jemand süchtig davon werden kann. Rollenspiele sind so aufgebaut, dass man immer wieder neue kleine Aufgaben erledigen muss und dafür belohnt wird. Nicht nur im Spiel selbst, sondern es wird auch im Gehirn das Belohnungszentrum aktiviert. Und man fühlt sich gut, weil man etwas erledigt hat. Nur blöd, dass es in einem Videospiel war und nicht im realen Leben 😅. Das "Gute" jedoch war, dass ich weniger an meine realen Probleme gedacht hab... die mich übrigens noch immer schlecht schlafen ließen...

Tabuthema Psychotherapie

Bei Menschen die in der Selbstständigkeit sind, sind die beruflichen Probleme gleichzeitig auch die Privaten. Zusätzlich belastete mich aber auch ein richtig privates Thema, auf welches ich hier nicht weiter eingehen möchte. Jedoch spürte ich, dass ich mit all diesen Themen alleine nicht mehr klar komme und ich Hilfe brauche... psychologische Hilfe...

Eine Freundin hat voriges Jahr zum ersten Mal psychologische Betreuung in Anspruch genommen und war positiv überrascht. Sie ist ohne Erwartungen an das Ganze herangegangen und hat sich selbst von Stunde zu Stunde besser kennengelernt. Sie hat so positiv darüber berichtet, dass ich es schon voriges Jahr ausprobieren wollte. Die Vorstellung, sich selbst besser kennenzulernen, hat mir sehr gefallen - ist sich dann leider zeitlich nicht ausgegangen bzw. hab ich es als nicht so wichtig empfunden. Dieses Jahr war es mir jedoch sehr wichtig bzw. dringend notwendig. Also hab ich das Geld in die Hand genommen und mir einen Termin bei einer Psychotherapeutin ausgemacht.

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich etwas nervös war und es zu Beginn auch keinem erzählt hab - man wird ja gleich als "psychal" abgestempelt 🙄. Die erste Stunde war zwar "nur" als Kennenlernen gedacht, aber ich hab gleich mal voll von meinen Themen erzählt 😄 es war irgendwie eine angenehme Atmosphäre und ich hab mich wohl gefühlt. Das arge... schon diese eine Stunde hat mir etwas geholfen und ich war überzeugt, dass mir das richtig gut tun wird. Über den Sommer war ich dann 6x bei ihr. Ich konnte wieder besser schlafen, war motivierter und vor allem wusste ich, was voriges Jahr dazu geführt hat, dass mir meine Arbeit Energie gesaugt hat und was ich beruflich ändern muss, damit die Freude und Energie wieder zurück kommt 😊!

Auch bei meiner beruflichen Unsicherheit konnte sie mir sehr gut helfen. So sind wir zb. im Gespräch drauf gekommen, dass die Polizei einfach nichts für mich ist. Dieses finanzielle Sicherheitsbedürfnis ist nur in meinem Kopf “eingelernt” und ich muss mehr auf mein Bauchgefühl hören/vertrauen. Wir haben außerdem festgestellt, dass ich ein sprunghaftes Naturell hab. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch der die Abwechslung braucht - das geht halt in der Selbständigkeit sehr gut! Ohne die Therapie wäre ich definitiv nicht zu dieser Erkenntnis gekommen und hätt beruflich eventuell einen falschen Weg eingeschlagen. Deshalb… sobald sich bei mir finanziell wieder alles stabilisiert, gehe ich fix wieder hin. Ich kanns nur jedem empfehlen!

Das komische ist aber, keiner spricht offen darüber... Erst als ich Menschen davon erzählt hab, haben sie gemeint, dass sie auch schon waren aber sich nie getraut haben es jemanden zu erzählen oder dass sie Interesse haben es auch mal auszuprobieren. Ich bin der Meinung, dass es kein Tabu-Thema mehr sein darf! Viel zu viele Leute haben Probleme, mit denen sie selbst nicht klar kommen - ich war/bin einer davon. Man darf sich nicht zu stolz sein (oder was auch immer), um nach professioneller Hilfe zu fragen!

Wir müssen uns bewusst werden, dass körperliche Gesundheit mit psychologischer Gesundheit einhergeht und man an beidem arbeiten sollte! Deshalb möchte ich künftig auch mehr in diesem Bereich dazulernen und hoffe, eine passende Weiterbildung zu finden! Falls jemand Tipps hat, nur her damit 😊

Was hab ich gelernt, was nehme ich mit

Wir setzen unsere Probleme ja gern in Relation zu Ländern in denen Krieg und/oder Hungersnot herrscht - wir spielen damit unsere eigenen Probleme runter. Aber ist das gut? Darf ich mich nicht "beschweren" wie man so schön sagt? ...doch... das darf ICH und das dürft IHR! Ich musste in dieser Zeit (schmerzhaft) lernen, dass ich meine eigenen Probleme wirklich wichtig nehme und es eben nicht immer in Relation setze. Denn für mich persönlich ist es eine Belastung und löst Ängste aus. Früher hab ich auch immer gesagt "aber schau, wir haben ein Dach über dem Kopf, können uns was zu Essen kaufen und zur Not gibt's ein Sozialsystem das uns auffängt. Sind unsere Erste-Welt-Probleme wirklich so schlimm?!"... Ja das sind sie. Punkt. Nur weil ich meine Probleme ernst nehme, heißt das nicht, dass die Probleme in anderen Ländern weniger schlimm sind. Ich musste halt selbst mal in so eine Lage kommen, um es zu begreifen.

Berufliche Zukunft?

Tja, das steht noch in den Sternen. Fürs erste konzentriere ich mich weiterhin auf betriebliche Gesundheitsförderung. Ich möchte da auch nächstes Jahr mit einer zweiten Homepage online gehen. Das wäre eigentlich fürs Frühjahr 2020 geplant gewesen aber ihr wisst ja was da war 🙄! Heuer scheint die Auftragslage eher dürftig zu bleiben. Nach einer Zusage von einem großen Unternehmen Ende Juli, kam Mitte August auch gleich wieder die Absage - bei den steigenden Zahlen möchte keiner ein Risiko eingehen. Gott sei dank hab ich eine Zusage für den Härtefallfond bekommen, denn sonst hätte ich mich gleich beim AMS melden können. Finanziell hat mich das also über Wasser gehalten. Jedoch kann ich den HFF auch nur in 6 von 9 Monaten beanspruchen… heißt für mich, Mitte Oktober ist Schluss mit der staatlichen “Hilfe” und bis dato sieht die Regierung auch keine Verlängerung in Betracht bzw. hat die WKO mir vorige Woche nur gesagt, dass diesbezüglich noch keine Gespräche geführt worden sind… Katastrophe wos de do oben auffian 🙄 … von da Corona-Ampel faung i goaned au zu reden 🤦‍♂️!

Naja, für die Zukunft hoffe ich, dass noch mehr Arbeitgebern bewusst wird, wie wichtig die Gesundheit der Mitarbeiter ist und dass ich im Gegensatz zu den Krankenstandskosten, mit einem weit kleineren finanziellen Aufwand (wöchentliches Sportangebot), die Gesundheit der Mitarbeiter und somit auch die Gesundheit des Unternehmens fördern kann! Das sag ich nicht nur weil ich damit mein Geld verdiene, sondern weil ich das direkte Feedback von den Mitarbeitern/Teilnehmern und den Firmenchefs hab. Die Mitarbeiter wissen es zu schätzen und sind dankbar dafür!

Ist es nun ein Jahr zum Vergessen?

Ich denke nicht… okay ja, im Juni hätt ich mir am liebsten gewünscht, dass ich wieder 9 Jahre alt bin, mit der Cornflakes Schüssel in der Hand auf der Couch sitz und die Gummibären Bande schau 😄. Aber jetzt würd ich es eher als lehrreich verbuchen, denn ich hab mich selbst wieder um ein Stück weit besser kennengelernt!

Abschließend möchte ich noch sagen, schaut auf eure körperliche und psychische Gesundheit und ganz wichtig - fragt nach Hilfe wenn es euch zu viel wird! Egal ob im Job oder Privat ☝️!

Wünsch euch noch eine schöne Woche und freu mich, wenn hier eine angenehme Diskussion entsteht 😊